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E Schmitz Interview2022Der 23jährige Edouard Schmitz ist neuer weltweiter Markenbotschafter der Schweizer Traditions-Uhrenmarke Longines. Der Genfer Springreiter blickt auf ein fantastisches Jahr zurück: Als aktuelle Nummer 43 der Welt gewann er in diesem Jahr seinen ersten prestigeträchtigen Grand Prix, den Longines International Grand Prix of Ireland. Als Mitglied der Schweizer Springreiterelite schaffte er es im vergangenen Oktober erstmals in die Top 40 der Welt. Im Jahr 2022 beeindruckte er zudem mit seinem Sieg im Team der Miami Celtics beim Finale des Global Champions League Super Cup 2022. 

Du studierst Informatik an der Universität Zürich, gleichzeitig sorgst Du als Springreiter weltweit für Schlagzeilen. Aufgrund Deiner Studienwahl würde man einen technisch, analytisch, strukturiert denkenden Menschen vermuten. Sind dies Eigenschaften, die auch einem Springreiter zugutekommen?

Ich denke für mich war das Informatikstudium stets ein wenig ein Ausgleich zum Springreiten. Diese Dualität zwischen meiner analytisch-technischen und meiner gefühlsmässig-intuitiven Seite sind charakteristisch für mich. Als Springreiter arbeitet man mit Pferden. Da braucht es viel Feingefühl und Emotionen. 

Welche Fähigkeiten braucht ein Springreiter auf Weltklasseniveau?

Ich denke, man muss im Grundsatz ein ruhiger Mensch sein. Man arbeitet mit Tieren. Pferde sind Fluchttiere. In unserer Sportart gibt es stets Überraschungen. Damit muss man umgehen können. Es ist wichtig, dass man sich als Reiter Zeit nimmt, zu verstehen, weshalb das Pferd sich so und nicht anders verhält und keine voreiligen Schlüsse zieht. Als Springreiter braucht man entsprechend viel Geduld, Feingefühl und Ruhe. Ausserdem muss man auf dem Parcours schnell sein. Es gibt viele Springreiter, die einen Parcours fehlerfrei bewältigen können und dennoch nie einen Grand Prix gewinnen werden, weil sie einfach nicht schnell genug sind. Um Rennen zu gewinnen, muss man schnell sein. Schliesslich braucht es für diese Sportart viel Leidenschaft. Das Springreiten braucht enorm viel Zeit. Man muss viel Zeit mit den Pferden verbringen. Wenn da die Leidenschaft für den Sport und die Pferde fehlt, wird man es nie ganz an die Spitze schaffen. 

Wie wird man ein schneller Reiter?

Dies hat man im Blut. Wenn man schnell auf ein Hindernis zureitet, gleicht dies einer Mutprobe. Man kann dann nicht zögern. Dieser Mut zeichnete mich bereits als Kind aus. Ich bin oft hohe Risiken eingegangen. Meine ersten Trainer mussten mich stets ein wenig bremsen.  

Was würde passieren, wenn ein Hobbyreiter ein Pferd wie Gamin reitet? Wäre dies überhaupt möglich?

Ein Springpferd von der Klasse wie Gamin erfordert vom Reiter enorm viel Feingefühl. Ein Hobbyreiter wäre mit einem solchen Pferd wohl überfordert. Pferde sind Fluchttiere. Wenn das Pferd spürt, dass etwas nicht stimmt, dann folgt es seinen natürlichen Instinkten. Der Hobbyreiter würde dann wohl seine Kommandos zu stark geben, so dass das Pferd überreagiert. 

Wie würdest Du Deine Beziehung zu den Pferden beschreiben?

Es gibt eine Faustregel, die besagt, dass es nicht möglich ist, auf höchstem Niveau mit einem Pferd erfolgreich zu sein, wenn man mit ihm zuvor nicht mindestens ein halbes Jahr verbracht hat. Ich vergleiche es mit einer Freundschaft. Es braucht viel Zeit, damit sich zwischen Pferd und Reiter Vertrauen einstellt. Man erlebt gemeinsam schöne und schwierige Momente.  In einem stetigen Prozess lernt man sich besser kennen und auf die jeweiligen Stärken und Schwächen des andern besser einzugehen.  

Wie schafft man Vertrauen bei einem Pferd?

Es gibt da zwei Aspekte: Zum einen muss man mit dem Pferd einfach viel Zeit verbringen, nicht nur mit Reiten. Man muss dem Pferd Zeit geben, dass es sich an den Reiter gewöhnt. Wenn ich in den Stall komme, muss mich das Pferd erkennen und wissen, dass es in meiner Gegenwart nichts zu befürchten hat. Springpferde reisen durch die ganze Welt. Da ist es wichtig, dass es in seinem Alltag Fixpunkte wie den Pferdepfleger oder auch mich gibt. Dann findet das Pferd Ruhe. Zum andern gibt es die Zeit, die wir als Reiter im Sattel verbringen. Da sammeln das Pferd und ich stets Erfahrungen. Das Pferd weiss mit der Zeit, was es von mir erwarten kann. Gleichzeitig kenne ich die Situationen, in denen sich ein bestimmtes Pferd wohlfühlt und versuche auf dem Parcours, möglichst oft diese Situation herbeizuführen.

Wie muss man sich einen Wettkampftag vorstellen?

Ich reise meistens mit zwei bis drei Pferden an einen Wettkampf, manchmal auch bis zu fünf Pferden. Am Morgen vor einem Wettkampf reite ich die Pferde ein erstes Mal, verbringe 40 bis 45 Minuten auf jedem Pferd, ohne dass wir springen. Ich muss wissen, in welcher Verfassung und Stimmung die Tiere sind. Später wird der Parcours abgelaufen. Zwei bis drei Stunden vor der Prüfung gehe ich noch einmal in den Stall. Die Pferde werden aufgewärmt, wiederum ohne zu springen. Ich prüfe, ob das Lenkrad, die Tresse funktionieren, alles was ich dann im Wettkampf benötige. Eine halbe Stunde vor dem Parcours wird das Pferd noch einmal aufgewärmt, mit einigen Sprüngen. Diese Einheit ist kurz, nicht dass das Pferd zu viel Kraft und Energie verliert. Seine Muskeln sind bereits von der vorletzten Einheit noch aufgewärmt. 

Was passiert mit den Pferden in der Zwischenzeit?

Die Pferde werden stets von ihrem Pfleger betreut, der immer im Stall ist. Auch sind die Stallungen an den Wettkämpfen sehr gut überwacht, so dass sich nur berechtigte Personen in diesen Zonen aufhalten dürfen. Ich habe das Glück, auf einen hervorragenden Pferdepfleger vertrauen zu dürfen, der viel Zeit mit den Pferden verbringt. Viele Reiter haben dieses Glück nicht. Sie verbringen dann vor dem Wettkampf viel Zeit im Stall, was viel Energie kostet, welche dann im Wettkampf fehlt. 

Deine Pferde gehören nicht Dir, sondern sind nur geliehen. Wie muss man sich dieses Konstrukt vorstellen?

Da gibt es den Pferdeeigentümer. In meinen Fall sind dies zwei Personen, denen meine Pferde gehören. Die Pferde befinden sich ausserhalb der Wettkämpfe in einer Stallung. Meine sechs Pferde sind in der Obhut von Thomas Fuchs in Wängi. Als Reiter bin ich an den Erfolgsprämien beteiligt, die ich mit dem jeweiligen Pferd gewinne. Ich bin verantwortlich für das Pferd, auch wenn es bei Thomas Fuchs eingestallt ist. Der Eigentümer der Pferde erhält den Grossteil der Prämien, kommt aber im Gegenzug auch für die Kosten des Pferdes und seine Anschaffung auf. In vielen Fällen werden dann erfolgreiche Pferde gewinnbringend verkauft. Glücklicherweise ist dies bei mir nicht der Fall. Die beiden Eigentümer meiner Pferde betrachten diese nicht als blosse Investitionsobjekte, sondern haben Freude am Pferdesport. Der Pferdepfleger ist von mir angestellt. Eine grosse Herausforderung im Springreiten besteht darin, sich als Reiter ein optimales Konstrukt zu schaffen, welches die bestmögliche Voraussetzung für den sportlichen Erfolg bietet. Es sind sehr viele Akteure involviert. 

Als Laie stellt man es sich schwierig vor, wenn das Pferd im Erfolgsfall vom Eigentümer dann verkauft wird?

Das ist in der Tat sehr frustrierend und emotional sehr schwierig. Als Reiter entwickelt man eine sehr emotionale Beziehung zum Pferd und man investiert ja auch emotional sehr viel in diese Tiere. Meiner Ansicht nach ist dies die Grundvoraussetzung für den sportlichen Erfolg Das Pferd spürt es, wenn der Reiter emotional nicht hundertprozentig hinter ihm steht. Wenn die Pferde dann in hoher Kadenz gewinnbringend verkauft werden, hört man als Reiter irgendwann auf, so viele Emotionen in die Tiere zu investieren. Dann ist auch der sportliche Erfolg gefährdet. Der Eigentümer von Gamin beispielsweise, ein Tessiner, hat primär Freude am Reitsport und an der Tatsache, sein Pferd an den Wettkämpfen zu sehen. Ausserdem freut er sich, einem jungen Schweizer Reiter ein Pferd von dieser Qualität zur Verfügung zu stellen und macht es sich zur Aufgabe, das bestmögliche Pferd zu finden. Sein Ziel ist es nicht, Gewinn zu erzielen. 

Deine Pferde sind bei Thomas Fuchs eingestallt. Thomas Fuchs ist gleichzeitig auch Dein Trainer. Welchen Anteil hat er an Deinen jüngsten Erfolgen?

Ich trainiere inzwischen seit fast sechs Jahren mit Thomas Fuchs. Alle meine Pferde sind bei ihm eingestallt. Er ist mein Mentor. Ich bespreche jede Entscheidung mit ihm. Als 17jähriger habe ich mich bei ihm bei einem Team-Kadertraining nach einem guten Stall in der Nähe von Zürich erkundigt. Ich wusste damals, dass ich aus Genf wegwollte. Er meinte, es gäbe einen guten Stall, seinen. Es war eine grosse Anerkennung seinerseits, dass ich mit meinen Pferden in seinem Stall unterkam. Dies hat mich stets sehr stolz gemacht. Die ersten sechs Monate habe ich dann seine Pferde an Turnieren geritten. Er habe mich auch bezüglich des Konstrukts meines Teams beraten und mir geholfen, mein System aufzubauen. Er ist ein riesiger Glücksfall für mich. Ohne ihn wären meine Erfolge nicht möglich gewesen. 

Mit wie vielen Pferden arbeitest Du derzeit?

Ich arbeite derzeit mit sechs Pferden. Momentan habe ich zu wenig junge Pferde. Da versuchen wir derzeit eine Lösung zu finden.

Wie muss man sich dies vorstellen?

Thomas Fuchs sucht nach geeigneten jungen Pferden. Mögliche Optionen bespricht er dann mit mir und wir zeigen diese dann möglichen Käufern, welche dann mir die Pferde wiederum zur Verfügung stellen. 

Dies klingt nach einem starken Teamwork. Wenn man Deine Wettkampfbilder betrachtet, hat man allgemein das Gefühl, dass es im Schweizer Team einen starken Zusammenhalt unter den Reiterinnen und Reitern gibt.

Die Atmosphäre im Schweizer Team ist ausgesprochen gut. Springreiten ist zwar ein Einzelsport, aber es sind so viele unterschiedliche Personen involviert, dass es immer auch ein gut funktionierendes Team im Hintergrund braucht. Hinzu kommt, dass es einzelne Teamwettbewerbe gibt, wo das Team im Vordergrund steht. Wir verbringen an den Wettkämpfen viel Zeit miteinander und teilen eine gemeinsame Leidenschaft zu den Pferden. Dies schweisst zusammen. Schliesslich weiss jeder von uns, dass unser Sport auch von Zufälligkeiten geprägt ist. Wir arbeiten mit Pferden. Da lässt sich nicht immer alles planen. Es gibt Tage, da will das Pferd einfach nicht. Dies muss man akzeptieren. Mit Gewalt bringt man kein 600 kg schweres Tier über ein Hindernis. Das Pferd muss Freude haben und sich wohlfühlen, in dem was es tut.  

Was macht für Dich die Faszination des Springreitens aus?

Pferde haben mich seit jeher fasziniert. Das Schönste an unserem Sport ist diese Einheit zwischen Pferd und Reiter. Wenn sich dieses Gefühl der totalen Verschmelzung zwischen Pferd und Reiter einstellt, wenn tiefes wechselseitiges Vertrauen und Verständnis dazu führen, dass Pferd und Reiter ihre Vorsicht aufgeben, jede Bewegung ohne Zwang ganz natürlich geschieht und sich jede Bewegung wie ein einziger Fluss anfühlt, dann ist dies einfach ein unbeschreibliches Gefühl.  

Wie sieht nun das weitere Programm aus?

In diesem Jahr steht nach London noch ein Springwettbewerb über Neujahr in Mechelen auf dem Programm. Vom 12.-15. Januar 2023 findet dann das Longines CHI Classics in Basel statt. Die Wettkämpfe in der Schweiz – sei es in Basel oder dann das CSIO in St. Gallen im Juni – sind immer Saisonhöhepunkte für mich.  

Foto: Fresh Focus

 

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