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Pirmin Werner02In dieser Saison stand der Skiakrobat Pirmin Werner bereits zweimal auf dem Weltcup-Podest. Der 22jährige Zürcher steht kurz vor seinen ersten Olympischen Spielen in Peking und gehört zum erweiterten Kreis der Medaillenkandidaten. Am Freitag reist er mit dem Team nach Peking ab. Im Interview mit Abrogans äussert er sich über Sonny Schönbächler, den ersten Skiakrobatik-Olympiasieger der Geschichte, die starke Konkurrenz aus China und Russland sowie die Prognosen zu Wind und Wetter am Wettkampfort.

Pirmin Werner02Mit dem Full-Doublefull-Full (Dreifachsalto mit vier Schrauben) sprang der Schweizer Sonny Schönbächler 1994 in Lillehammer zum ersten Olympiasieg der Geschichte in der Skiakrobatik. Wo rangiert man heute mit diesem Sprung bei einer perfekten Ausführung?

Der Dreifachsalto mit vier Schrauben ist heute der Standardsprung, den man als Athlet beherrschen muss und viele Athleten in der Qualifikation springen. Mit einer perfekten Ausführung kann man mit diesem Sprung noch immer einen Weltcupsieg erringen. An Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen braucht es aber inzwischen für einen Sieg oder ein Podium fünf Schrauben.

Was hat sich in der Sportart seit dem Olympiasieg von Sonny Schönbächler sonst noch alles verändert?

Die Sportart und das Umfeld haben sich in diesen Jahrzehnten stark professionalisiert. Die Schanzen sind mittlerweile alle genormt. Das Material hat sich ebenfalls weiterentwickelt. Die Landung ist in technischer Hinsicht noch immer gleich, aber beim Absprung hat sich einiges geändert. Da springt man heute nicht mehr ab. Allgemein braucht es heute einen höheren Schwierigkeitsgrad bei den Sprüngen um einen Wettkampf zu gewinnen.

Drei Wochen vor seinem Olympiasieg hatte Sonny Schönbächler auf eisiger Unterlage in Le Relais die Kontrolle über die Skier verloren, war unkontrolliert durch die Luft gespickt und nach dreidreiviertel Salti und viereinhalb Schrauben mit dem Rücken in den Schnee geknallt. Wie gefährlich ist die Sportart heute?

Die Sportart hat sich seither sehr weiterentwickelt und professionalisiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Athlet im Sprung komplett die Orientierung verliert, tendiert heute gegen null. Hierfür braucht es eigentlich einen Totalausfall eines Athleten. Im Unterschied zu früher wird heute ein neuer Sprung erst auf dem Trampolin mit einer Art Bungee-System als Sicherung aufgebaut. Die nächste Station ist dann die Wasserschanze, wo man die Sprünge zwischen 100 bis 1000 Mal trainiert. Erst dann, wenn die Coaches überzeugt sind, dass man den Sprung beherrscht, zeigt man diesen das erste Mal auf dem Schnee und der Schanze.

Sonny Schönbächler spielt noch heute mit seinem Trainingscenter «Jumpin» in Mettmenstetten eine wichtige Rolle in dieser Sportart…

Sonny Schönbächler hat für die Sportart in der Schweiz sehr vieles geleistet und tut es bis heute. Er hat in Mettmenstetten ein führendes Trainingscenter mit Wasserschanzen aufgebaut. Dies ist im Sommer auch unsere Trainingsbasis. Auch können wir in seinem Fitnesscenter kostenlos trainieren. Im Winter verlagert sich unsere Trainingsbasis dann in das Skigebiet von Airolo, wo uns ein Hang und drei Schanzen exklusiv zur Verfügung stehen.

Ursprünglich war geplant, dass Ihr Euch in Japan auf die Olympischen Spiele vorbereitet. Dies musste wegen Corona verschoben werden. Wo habt Ihr die vergangenen Tage nach Nordamerika trainiert?

Wir wollten uns in Airolo vorbereiten, aber da hatte es zu wenig Schnee, um zu trainieren, so dass wir länger in Nordamerika geblieben sind und uns auf die Olympischen Spiele vorbereitet haben.

Du standest in der laufenden Saison bereits zweimal auf dem Podest, bist derzeit die Nummer 6 im Gesamtweltcup. Was für eine Zwischenbilanz ziehst Du?

Ich durchlebte einige Hochs und Tiefs in dieser Saison. Die Saison hatte mit dem zweiten Platz in Ruka in Finnland sehr gut begonnen. Beim Wettkampf am Tag danach kämpfte ich mit den schwierigen Windverhältnissen. Es resultierte ein 20. Platz. Auch eine Woche später belegte ich noch einmal Rang 20. Der Grat zwischen Sieg und Niederlage in unserer Sportart ist sehr schmal. Es ist das eine, an die Spitze zu kommen, eine grössere Herausforderung ist es aber, sich an der Spitze zu langfristig behaupten. Ein weiterer Podestplatz beim letzten Wettkampf in Finnland fing mich dann auf. Beim Wettkampf in Le Relais in Kanada habe ich dann im Wettkampf im Superfinale zum ersten Mal einen Sprung mit fünf Schrauben ausprobiert. Leider wurde mein Risiko nicht belohnt. Ich konnte den Sprung nicht stehen. Es fehlte nur wenig. Ansonsten hätte ich mit diesem Sprung den Wettkampf gewonnen. Das Ziel von mir und meinen Coaches war, vor den Olympischen Spielen diesen Sprung mindestens einmal unter Wettkampfbedingungen zu zeigen.

Der Russe Maxim Burov war der grosse Dominator der vergangenen Saison und hat auch diese Saison jeden Wettkampf gewonnen, an dem er teilgenommen hat. Was braucht es um Burov zu schlagen?

Maxim Burov dominiert unsere Sportart bereits seit zwei Jahren. Es braucht momentan einen Sprung mit fünf Schrauben, um ihn zu schlagen. Er zeigt Sprünge mit vier oder fünf Schrauben in Perfektion. Letztes Jahr an den Weltmeisterschaften hat er fünf Schrauben gezeigt. In diesem Jahr hat er diesen Schwierigkeitsgrad noch nicht benötigt, so dominant ist er in den Wettkämpfen aufgetreten. An den Olympischen Spielen werden die Wetterverhältnisse zentral sein, insbesondere der Wind wird eine entscheidende Rolle spielen. In unserer Sportart ist der Wind sehr wichtig. Glück und Pech liegen da – je nach den individuellen Verhältnissen – sehr nahe beieinander. Ich denke, in Peking wird Maxim Burov deutlich mehr Druck haben als alle anderen Athleten. Dies kann meine Chance sein.

In Abwesenheit von Burov kam die grosse Zeit der chinesischen Athleten. In Le Relais belegten sie die Plätze 1, 2, 4 und 5, die anderen zwei Plätze gingen an die Schweiz. In Deer Valley feierten sie in Abwesenheit von Burov einen Dreifachtriumph. Wie geht ihr mit dieser neuen Konkurrenz um?

Auch die chinesischen Athleten werden einem gewaltigen Druck an ihren Heimspielen ausgesetzt sein. Die Skiakrobatik ist die einzige Wintersportart, wo sie absolut top sind. Der chinesische Verband hat in den letzten Jahren sehr viel Geld in diese Sportart investiert. Die Vorgabe ist bei den Männern und Frauen wie auch im Team-Wettkampf dreimal Gold zu gewinnen.

Wie haben es die Chinesen in dieser kurzen Zeit an die Weltspitze geschafft? In der vergangenen Saison nahmen sie ja an keinem Wettkampf teil.

Die chinesischen Athleten springen in unserer Sportarbeit bereits seit 10 bis 15 Jahren an der Weltspitze mit. Die Skiakrobatik ist die einzige Wintersportart, wo es akrobatisches Können braucht, ein Bereich, indem die Chinesen traditionell sehr stark sind. Vergangenes Jahr sind die chinesischen Athleten offiziell wegen Corona vom Weltcup ferngeblieben. Aber sie haben den ganzen Winter auf der Olympiaschanze trainiert. Wir werden nun sehen, wie sich dieser Heimvorteil an den Olympischen Spielen auswirken wird.

Es kann kein Zufall sein, dass mit den Russen und China auch die grossen Kunstturnnationen im Aerials weit vorne sind. Auch Du kommst ursprünglich aus dem Kunstturnen. Ist dies der normale Weg heute oder gibt es junge Athleten, die einen anderen Weg wählen?

Es ist sicherlich ein grosser Vorteil in unserer Sportart, wenn man auf dem Kunstturnen aufbauen kann. Es gibt Athleten im Weltcup, die das nicht haben. Aber die Mehrheit hat eine akrobatische Vergangenheit. Meine beiden Schweizer Kollegen und ich, die in dieser Saison bereits auf dem Podest standen, wir alle drei haben eine Vergangenheit im Kunstturnen.

Am 10. Februar steht der Teamwettkampf auf dem Programm. Was für Chancen rechnet Ihr Euch da im Schweizer Team aus? Wenn man auf den Gesamtweltcup schaut, müsste es ein Zweikampf zwischen Russland und China um Gold und Silber geben.

Es ist davon auszugehen, dass Russland und China die Goldmedaille unter sich ausmachen. Wir befinden uns mit dem Schweizer Team im erweiterten Kreis der Medaillenkandidaten, zusammen mit den USA, Kanada und Weissrussland. Eine Prognose ist sehr schwierig. Der dritte Platz dürfte sehr umkämpft werden. Unglücklicherweise hat sich die Leaderin im Frauen-Team, Carol Bouvard, am Knie verletzt und kann nicht nach Peking reisen.

Am 15./16. Februar finden dann die Einzelwettkämpfe im Aerials statt. Was für einen Schwierigkeitsgrad wird es für eine Medaille brauchen?

Der Wettkampfmodus an den Weltmeisterschaften und den Olympischen Spielen unterscheidet sich vom Weltcup. Es wird eine Qualifikation mit zwei Sprüngen geben. Die besten sechs Athleten nach dem ersten Sprung qualifizieren sich für das Finale. Die restlichen sechs Plätze werden im zweiten Qualifikationssprung vergeben, wobei der bessere Sprung letztlich dann zählt. Am Finaltag stehen zwei Sprünge auf dem Programm. Die besten sechs Athleten nach den beiden Finalläufen machen dann im Superfinale in einem einzigen dritten Lauf die Medaillen unter sich aus, wobei man im Finale in den drei Läufen drei unterschiedliche Sprünge zeigen muss. Dies kommt mir tendenziell entgegen. Ich habe zwei Sprünge mit fünf Schrauben im Repertoire. Es ist davon auszugehen, dass es im Superfinale sicherlich einen Sprung mit fünf Schrauben für eine Medaille braucht, eventuell aber auch schon in den Finaldurchgängen. Ich hoffe, dass ich nach dem ersten Qualifikationssprung möglichst unter den ersten sechs Athleten bin, so dass ich bald an die Wärme kann und Energie sparen kann. Im Finale wird dann nach umgekehrter Reihenfolge gestartet. Je später man selbst an die Reihe kommt, umso mehr kann man seine Taktik nach den vorherigen Sprüngen und Athleten ausrichten, was ein Vorteil sein kann.

Was weisst Du über die Sprunganlage in Peking?

Die Sprunganlage wird sicherlich in einem Top-Zustand sein. Die chinesischen Athleten haben ja ausgiebig darauf trainiert und sie gelten diesbezüglich als sehr heikel. Schwierig werden die Temperaturen und die Windverhältnisse werden. Es werden Temperaturen von minus 15 bis minus 20 Grad erwartet. In Kanada war es in den vergangenen Tagen aber auch sehr kalt, so dass wir uns daran gewöhnen konnten.

Wie bereitet man sich auf einen solchen Wettkampf vor?

Vor dem Wettkampf gibt es meist drei Trainingssprünge. Davor machen wir jeweils noch ein Warm-up im Gym oder im Hotelzimmer. Da gilt es zu dehnen, den Körper zu mobilisieren und den Rumpf gut aufzuwärmen. Während dem Wettkampf hat es dann meist einen geheizten Raum, in dem wir uns während den Sprüngen zurückziehen, um nicht auszukühlen.

Am Freitag fliegt Ihr mit dem Team nach Peking ab. Was geht momentan in Dir vor?

Es sind meine ersten Olympischen Spiele. Die Vorfreude überwiegt alles. Natürlich macht uns Athleten Corona Sorgen. Bei jedem Test fürchtet man stets ein positives Resultat und damit das Aus von den Olympischen Spielen. Ein wenig schade ist es, dass pandemiebedingt wohl nicht dieses olympische Dorf-Feeling aufkommen wird wie in den vergangenen Spielen. Aber die Pandemie wird vorübergehen und ich gehe davon aus, dass es nicht meine letzten Olympischen Spiele sein werden. Die Olympischen Spiele sind eine riesige Bühne sowohl für unsere Sportart wie auch für uns Athleten. Die mediale Beachtung weltweit ist unvergleichlich. Gestern haben wir die offizielle olympische Kleidung abgeholt. Da wird einem schon bewusst, dass die Olympischen Spiele etwas ganz Besonderes sind. Meine Vorfreude ist riesig.

 

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Michael Schiendorfer
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